Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) äußert scharfe Kritik an der jüngsten Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die Patient*innen mit Suchtproblemen künftig 24 Behandlungsstunden statt der bisherigen 10 zur Verfügung stellt, um in ihrer Psychotherapie eine Phase der Suchtmittelfreiheit zu erreichen.
„Die rigide Anforderung nach Abstinenz als Bedingung für eine psychotherapeutische Behandlung muss grundsätzlich überdacht werden“, erklärt Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der BPtK. „Diese Forderung entspricht längst nicht mehr den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und erschwert es insbesondere Patient*innen mit schweren Abhängigkeiten, die dringend benötigte Unterstützung zu erhalten.“
Laut internationalen sowie nationalen Richtlinien zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen sind neben vollständiger Abstinenz auch kontrollierter Konsum und Ansätze zur Schadensminimierung legitime Behandlungsziele. „Die Realität zeigt, dass viele Betroffene zunächst nicht bereit oder in der Lage sind, sich für die Abstinenz zu entscheiden. Ihnen deshalb den Zugang zu Psychotherapie zu verwehren ist fachlich nicht gerechtfertigt“, hebt Wolfgang Schreck, Vorstandsmitglied der BPtK hervor.
Die bestehende Regelung zur Abstinenz führt seit Jahren dazu, dass Patient*innen mit Suchterkrankungen – die ohnehin schon unter erheblichen Hürden leiden – systematisch von notwendiger Versorgung ausgeschlossen werden. „Menschen mit Suchtproblemen erleben häufig Schamgefühle, Stigmatisierung und zahlreiche soziale Schwierigkeiten“, so Benecke weiter. „Gerade diese Personen benötigen einen unkomplizierten Zugang zu psychotherapeutischer Unterstützung.“
Die strikte Regelung zur Abstinenz steht im Widerspruch zu den Bemühungen des Gesetzgebers, ein ambulant-intensives und multiprofessionelles Versorgungsangebot für schwer psychisch erkrankte Menschen einzuführen. Die Richtlinie für koordinierte und strukturierte Versorgung psychisch kranker Menschen (KSVPsych-RL) soll auch schwer abhängigen Patienten eine umfassende ambulante Behandlung ermöglichen. Auch die seit Februar geltenden neuen Bestimmungen in der Ärzte-Zulassungsverordnung sollen erweiterte Versorgungsmöglichkeiten für Patienten mit schweren Abhängigkeiten schaffen; jedoch wird durch die bestehenden Vorgaben aus der Psychotherapie-Richtlinie diese Mitbehandlung stark eingeschränkt. „Wenn der G-BA weiterhin an diesen strikten Vorgaben festhält, sabotiert er damit die Reformen des Gesetzgebers“, warnt Schreck.
Patient*innen mit Suchterkrankungen benötigen vor allem einen niederschwelligen Zugang zur Psychotherapie. „Wir brauchen flexible und individuelle Behandlungsziele, welche sich an den Lebensumständen sowie Krankheitsphasen unserer Patient*innen orientieren; dies setzt eine vollständige Abschaffung der Abstinenzregel voraus“, betont Benecke abschließend. „Nur so können wir ein Versorgungssystem schaffen, das Vertrauen aufbaut statt Barrieren errichtet.“
Pressemitteilung des G-BA: https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/1282/
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