Während seit Jahren diskutiert wird, dass ein signifikanter Teil des Bitcoin-Angebots durch verlorene Keys und vergessene Wallets für immer aus dem Umlauf genommen wurde, ist die Zahl der verlorenen Ethereum-Coins bislang kaum öffentlich thematisiert worden. Das ändert sich nun: Eine neue Analyse des Krypto-Analysten Conor Grogan zeigt, dass auch Ethereum (ETH) im Milliardenvolumen unwiederbringlich verloren ist.
Rund 5,3 Millionen ETH aus dem Verkehr gezogen
Laut einem am 24. Juli veröffentlichten Thread auf X (ehemals Twitter) beziffert Grogan die Gesamtzahl der dauerhaft unzugänglichen ETH auf über 5,3 Millionen Coins – das entspricht mehr als 5 % des gesamten zirkulierenden Angebots. Bei einem aktuellen Preisniveau von etwa 4.400 US-Dollar entspricht das einem Gegenwert von über 23,5 Milliarden US-Dollar.
Based on my research, a minimum of 913,111 Ethereum is lost forever due to user error. This is 0.76%+ of ETH supply, or $3.43 billion in lost funds
If we include EIP‑1559 burned ETH (5.3M), then >5% of all ETH ever made ($23.42B) have been permanently destroyed pic.twitter.com/IlTduN7Kzx
— Conor (@jconorgrogan) July 20, 2025
Diese Summe umfasst sowohl klassische Benutzerfehler als auch systembedingte Coin-Burns durch Protokolländerungen: In den vergangenen zehn Jahren führten zahlreiche Vorfälle zu dauerhaft blockierten ETH-Beständen. Grogan dokumentiert unter anderem:
- Parity Multisig Bug (Web3 Foundation): 306.000 ETH für immer gesperrt
- QuadrigaCX-Wallet: 60.000 ETH in fehlerhaftem Contract eingeschlossen
- Akutars NFT Mint: 11.500 ETH verloren nach missglücktem NFT-Verkauf
- User-Transfers an Burn-Adressen: 25.000 ETH irrtümlich vernichtet
Zusammen ergeben diese Fälle mindestens 913.111 ETH, die durch Fehlbedienung oder Bugs für immer verloren sind – das entspricht rund 0,76 % der Gesamtversorgung. Ein besonders prominenter Fall ist der Wallet des estnischen Unternehmers Rain Lõhmus, der Ethereum in der Gründungsphase 2015 für nur 75.000 US-Dollar kaufte – insgesamt 250.000 ETH. Heute entspricht das einem Wert von rund 1 Milliarde US-Dollar. Lõhmus hat nach eigenen Angaben jedoch den Zugangsschlüssel verloren und keinen Zugriff mehr auf das Wallet – der Betrag gilt damit als effektiv verloren.
ETH-Burn durch EIP-1559: Zusätzliche 4,4 Millionen Coins vernichtet
Neben versehentlich verlorenen Coins sind auch bewusst aus dem Verkehr gezogene Bestände relevant. Seit der Einführung von EIP-1559 im August 2021 werden bei jeder Transaktion Gebührenanteile („base fees“) verbrannt. Grogan zufolge wurden seitdem rund 4,4 Millionen ETH dauerhaft zerstört.
In Summe ergibt sich:
- ≈ 0,9 Mio. ETH durch Nutzerfehler verloren
- + 4,4 Mio. ETH durch Netzwerkmechanik verbrannt
- = über 5,3 Mio. ETH aus dem Umlauf verschwunden
Vergleich mit Bitcoin: ETH noch relativ besser versorgt
Zum Vergleich: Beim Bitcoin wird geschätzt, dass bis zu 20 % der maximal möglichen 21 Millionen Coins dauerhaft verloren sind – hauptsächlich durch verlorene Wallet-Schlüssel in den Anfangsjahren. Aufgrund der fixen Obergrenze bei Bitcoin wiegt jeder verlorene Coin schwerer.
Ethereum hat zwar keine Angebotsobergrenze, jedoch verändert sich die Inflations- bzw. Deflationsdynamik mit jeder größeren Protokollanpassung. Die Kombination aus technisch verbrannten Coins und versehentlich verlorenen Guthaben erzeugt zunehmend einen ähnlichen Verknappungseffekt wie bei Bitcoin.
Die Analyse von Conor Grogan rückt ein bisher unterbeleuchtetes Thema ins Rampenlicht: Auch Ethereum hat einen realen „verlorenen Vorrat“, der das verfügbare Angebot nachhaltig reduziert. Damit dürften sich viele Modelle zur Bewertung von Ethereum – etwa zur Geldmenge, Umlaufgeschwindigkeit oder fairen Preisermittlung – neu kalibrieren müssen.
Je stärker sich institutionelle Nachfrage entwickelt, desto größer wird die Bedeutung der realistisch verfügbaren ETH-Menge – und damit auch der Einfluss verlorener Coins auf Kursdynamik, Netzwerkinflation und Angebotsengpässe.