In einem ausführlichen Interview mit BTC Sessions entwarf MicroStrategy-Vorsitzender Michael Saylor ein Zukunftsbild für Bitcoin, das vor allem auf institutioneller Ebene spielt. Die Zeiten, in denen Einzelpersonen direkt Transaktionen auf der Bitcoin-Blockchain ausführen, seien demnach gezählt. Stattdessen sieht Saylor eine künftige Welt, in der die Basisschicht von Bitcoin fast ausschließlich von Staaten, Großbanken, Technologieunternehmen und Zahlungsnetzwerken genutzt wird – für Settlement-Prozesse in Milliardenhöhe. Für gewöhnliche Nutzer rücke der direkte Kontakt mit der Blockchain zunehmend in den Hintergrund.
Saylor geht davon aus, dass Bitcoin sich zu einem globalen Abwicklungsprotokoll entwickeln wird – vergleichbar mit einem digitalen Rückgrat des Finanzsystems. Große Technologieunternehmen wie Google, Apple oder Microsoft sowie globale Geschäfts- und Zentralbanken würden direkt auf der Base-Layer-Ebene operieren, um große Werte zu verschieben. Transaktionen auf dieser Ebene seien künftig nicht mehr für den Alltag gedacht, sondern für die finale Abwicklung zwischen wirtschaftlich und politisch dominanten Akteuren.
Ein Beispiel: Laut Saylor könnte Microsoft künftig Bitcoin direkt an Google senden, um im Hintergrund technische oder vertragliche Prozesse abzuwickeln. Auch nationale Regierungen und deren Zentralbanken – etwa die der USA, Chinas oder Großbritanniens – würden Bitcoin nutzen, um Werte grenzüberschreitend und final abzurechnen. Die klassischen Zahlungsnetzwerke wie Visa oder Mastercard würden ebenfalls Teil dieser Basisschicht-Ökonomie.
Schichtung des Bitcoin-Ökosystems
Saylor beschreibt das Bitcoin-Ökosystem der Zukunft als ein mehrstufiges System mit klarer Funktionsteilung. Die Base-Layer, also die Bitcoin-Blockchain selbst, wird von maximal einigen zehntausend institutionellen Entitäten genutzt. Diese bewegen dort große Summen und sorgen für die monetäre Finalität.
Darüber befindet sich das Lightning Network, das als Layer-2-Lösung für hohe Geschwindigkeit und Skalierung sorgen soll. Hier würden tausende bis Millionen von Apps, Webseiten und Zahlungsplattformen Transaktionen nahezu in Echtzeit abwickeln – allerdings nicht mehr direkt auf der Blockchain, sondern über abgesicherte Kanäle. Darüber hinaus existiert laut Saylor eine weitere Ebene, die sogenannte „Layer 3“, welche aus zentralisierten oder halb-offenen Plattformen bestehen könnte – darunter Börsen, Zahlungsanbieter, Fintechs oder sogar Tech-Plattformen wie Apple Pay oder Microsoft Wallet. Diese Dienste bieten den Nutzern einfache Interfaces, während sie im Hintergrund auf Lightning oder die Base Layer zugreifen.
In dieser Struktur würde der normale Endnutzer künftig gar nicht mehr direkt mit der Bitcoin-Blockchain interagieren. Die Infrastruktur im Hintergrund übernimmt die komplexen Prozesse, während Nutzer Bitcoin eher als Wert im eigenen App-Ökosystem erleben – eingebettet in Services wie Zahlungen, Sparpläne oder Kreditvergabe.
Die Rolle der heutigen Selbstverwahrer
Saylor betont, dass heutige Bitcoin-Enthusiasten, die eigene Full Nodes betreiben und ihre Coins selbst verwahren, eine Art historische Vorreiterrolle einnehmen. Sie seien die Pioniere der frühen Phase. Einige davon, so Saylor, könnten in der kommenden Phase „unglaublich reich“ werden – sofern sie ihre Position halten. Wer hingegen zu früh verkaufe oder seine Souveränität aufgebe, könne dies später bereuen.
Der entscheidende Punkt in seiner Argumentation ist, dass Bitcoin langfristig nicht als Zahlungsmittel gedacht sei, sondern als digitales Kapital: ein sicherer Hafen, ein Wertspeicher, ein digitales Äquivalent zu Staatsanleihen oder Gold. Fiat-Währungen und Stablecoins würden weiterhin zur Preisbildung und für alltägliche Transaktionen genutzt, doch für die eigentliche Abwicklung großer Geldflüsse im globalen Kontext sei Bitcoin prädestiniert.
Bitcoin als Fundament der globalen Kapitalarchitektur
Was Saylor skizziert, ist kein anarchisches Peer-to-Peer-Zahlungssystem mehr, sondern eine tief in den institutionellen Apparat eingebettete Settlement-Technologie. Die Zukunft von Bitcoin liegt – so seine Sicht – nicht im Kleinen, sondern im Großen. Nicht im Alltag, sondern in der Infrastruktur. Staaten, Banken, Konzerne – sie sollen Bitcoin zur finalen, grenzüberschreitenden Abrechnung von Vermögen nutzen.
Während viele Bitcoin-Enthusiasten in der Vergangenheit auf Individualität und Dezentralisierung fokussiert waren, verschiebt Saylor den Blick: Wer Bitcoin als „digitales Kapital“ begreift, erkennt, dass das Spiel längst auf der geopolitischen Bühne angekommen ist – und gerade erst beginnt.