Seit mehr als einem Jahrzehnt gilt er als heimlicher Taktgeber des Kryptomarkts: der Bitcoin-Vierjahreszyklus. Alle 210.000 Blöcke halbiert sich die Belohnung für Miner – das sogenannte Halving. In der Vergangenheit folgte darauf ein Bullenmarkt, der Bitcoin zu immer neuen Rekorden trieb: 2013, 2017, 2021. Doch inzwischen wächst die Zahl der Stimmen, die den klassischen Zyklus für überholt halten.
Das spricht gegen den Vierjahreszyklus
1. Korrelation ist nicht Kausalität.
Ja, die Rallys nach den Halvings sind historisch belegt. Aber Kritiker betonen: Nicht nur die Angebotsverknappung erklärt die Preisexplosionen. Faktoren wie globale Liquidität, Krisen oder der Boom der Stablecoins spielten eine mindestens ebenso große Rolle.
2. Abnehmende Bedeutung der Miner-Rewards.
2024 brachte eine Blockbelohnung von nur noch 3,125 Bitcoin. Damit liegt die jährliche Inflationsrate des Netzwerks unter einem Prozent – praktisch bedeutungslos im Vergleich zum riesigen Umlaufbestand. Ein echter Angebotsschock? Wohl eher nicht mehr.
3. Effizienz der Märkte.
Das Halving ist seit 2009 im Code festgeschrieben – ein Ereignis, das längst einpreist sein müsste. Dass es dennoch zu Rallys kam, erklären viele Analysten weniger mit echter Knappheit als mit Narrativen, Psychologie und überschießender Liquidität.
4. Selbst erfüllende Prophezeiung.
Der Zyklus könnte schlicht ein Narrativ sein, das sich selbst trägt: Anleger erwarten nach dem Halving steigende Kurse, investieren – und lösen so die Bewegung aus. Doch was, wenn das Vertrauen in dieses Muster kippt?
Dazu kommen Makrofaktoren wie Geld- und Zinspolitik, die zuletzt viel stärker wirkten als das Halving. Die Nullzinsen und Konjunkturprogramme 2020/21 haben die Rally befeuert. Umgekehrt hat die straffe Geldpolitik 2022 den Bärenmarkt geprägt – völlig unabhängig vom Blockreward. Zudem verändert die Professionalisierung durch ETFs und institutionelle Investoren den Markt. Je stärker Bitcoin in das traditionelle Finanzsystem eingebettet ist, desto weniger dürfte ein starres Vierjahresmuster tragen.
Was die Daten aktuell zeigen
Trotz dieser Kritikpunkte: Noch immer ähneln die Kursverläufe den alten Mustern. Daten von Glassnode legen nahe, dass der aktuelle Zyklus weiter intakt ist.
- Marktstadium: Langfristige Hodler nehmen Gewinne mit, ähnlich wie in euphorischen Phasen früherer Zyklen. Zugleich schwächeln die Kapitalzuflüsse: Allein in vier Handelstagen zogen Investoren 975 Millionen Dollar aus Bitcoin-ETFs ab. Seit dem Allzeithoch Mitte August bei 124.128 Dollar hat der Kurs rund 8,3 Prozent verloren.
- Risikoappetit: Weniger Nachfrage bei Bitcoin führt zu mehr Spekulation in Altcoins. Deren offenes Interesse kletterte zeitweise auf ein Rekordhoch von 60 Milliarden Dollar, ehe es wieder leicht zurückging.
- Ausblick: Sollte der Zyklus halten, wären neue Hochs bereits im Oktober denkbar. Frühere Bullenmärkte erreichten ihre Peaks rund 550 Tage nach dem Halving – exakt dort verorten Analysten wie Rekt Capital auch diesmal den möglichen Höhepunkt.
Fazit: Orientierung ja, Naturgesetz nein
Das Halving besitzt nach wie vor symbolische und narrative Kraft. Aber es ist kein Naturgesetz. Wer investiert, sollte den Vierjahreszyklus als nützliche Orientierung verstehen – nicht als Garant für steigende Kurse.
Denn ob der Bitcoin künftig seinen Takt aus dem Code oder aus dem globalen Finanzsystem erhält, entscheidet weniger die Blockbelohnung – als vielmehr Liquidität, Regulierung und die wachsende Rolle institutioneller Investoren.