Die Kapazität des Bitcoin Lightning Network ist seit Ende 2023 deutlich zurückgegangen. Laut Daten von mempool.space fiel die öffentlich einsehbare Liquidität in den Lightning-Kanälen von über 5.400 BTC auf rund 4.200 BTC im August 2025 – ein Rückgang von rund 20 %. Doch trotz des augenscheinlichen Abschwungs sehen Entwickler und Analysten keinen Rückgang der Nutzung. Vielmehr deuten sie auf eine strukturelle Weiterentwicklung des Netzwerks, die Effizienz vor sichtbarer Liquidität priorisiert.
Kapazität ≠ Nutzung: Die unterschätzte Dynamik des Netzwerks
Die Lightning-Kapazität beschreibt die Menge an BTC, die in öffentlich sichtbaren Zahlungskanälen gesperrt ist. Diese Kanäle bilden das Routing-Graph-Netzwerk, über das Zahlungen zwischen Teilnehmern vermittelt werden. Wichtig ist jedoch: Dieser Wert erfasst weder private Kanäle noch custodial Services oder moderne Routing-Methoden wie Multi-Path Payments – also genau jene Bereiche, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben.
Ein Bericht von River aus dem Jahr 2023 zeigte bereits, dass trotz stagnierender Kapazität die Zahl der gerouteten Zahlungen zwischen August 2021 und August 2023 um über 1.200 % gestiegen war. Das zeigt: Die reine Kapazität sagt wenig über die tatsächliche Nutzung aus.
Seit der Integration von Lightning durch Coinbase im Jahr 2024 verzeichnet das Netzwerk zudem ein messbares Wachstum. Nach Angaben von Lightspark werden bis Mitte 2025 bereits rund 15 % aller Bitcoin-Abhebungen auf Coinbase über das Lightning-Netzwerk abgewickelt. Auch der europäische Zahlungsdienstleister CoinGate meldete 2025, dass Bitcoin wieder die dominierende Rolle im Krypto-Zahlungsverkehr auf seiner Plattform einnimmt – gestützt durch Second-Layer-Lösungen wie Lightning. Laut CoinGate entfielen bereits 2024 über 16 % aller Bitcoin-Transaktionen auf Lightning, gegenüber nur 6,5 % zwei Jahre zuvor.
Rückgang öffentlicher Nodes: Zeichen von Reife, nicht von Schwäche
Die sinkende Kapazität geht einher mit einem Rückgang der öffentlich sichtbaren Nodes und Kanäle – ein Trend, der bereits seit 2022 anhält. Kritiker werten dies als Zeichen der Stagnation. Doch Entwickler argumentieren, dass die Entwicklung auf bewusste Konsolidierung hindeutet. Statt einer Vielzahl schlecht gewarteter Nodes dominieren zunehmend besser gemanagte Hubs mit höherer Zuverlässigkeit das Routing.
Ein technisches Beispiel für diese Entwicklung ist das sogenannte „Channel Splicing“ – eine Protokoll-Erweiterung, die es ermöglicht, Kanäle ohne zusätzliche On-Chain-Transaktionen zu vergrößern oder zu verkleinern. Dies erhöht die Effizienz bestehender Liquidität und senkt die Notwendigkeit, neue Kanäle zu öffnen. Das Resultat: Weniger sichtbare Aktivität, aber bessere Performance.
Neue Anwendungsfelder und Stablecoin-Integration
Ein wichtiger Meilenstein für die funktionale Erweiterung des Lightning-Netzwerks war die Integration von Stablecoins. Im Januar 2025 kündigte Tether an, seine USDt-Stablecoin über das Lightning-Netzwerk bereitzustellen – mithilfe von Taproot Assets in Zusammenarbeit mit Lightning Labs. Damit wird erstmals die Möglichkeit geschaffen, Dollar-basierte Zahlungen über Lightning abzuwickeln – ohne dass BTC in Kanälen gebunden werden muss.
Elizabeth Stark, CEO von Lightning Labs, bezeichnete dies als entscheidenden Fortschritt: Die Integration vereine die Sicherheit von Bitcoin mit der Skalierbarkeit von Lightning. Gleichzeitig entfällt die Notwendigkeit, Transaktionsvolumen in BTC zu messen, was die Aussagekraft der Kapazitätskennzahlen weiter verringert.
Auch auf Protokollebene geht die Entwicklung weiter. Sicherheitsbedenken wie Jamming-Angriffe und sogenannte Replacement Cycling Vulnerabilities werden durch Initiativen wie die Bitcoin Optech Working Groups adressiert. Neue Features wie BOLT12 Offers sowie verbesserte Tools zur automatisierten Liquiditätsverwaltung sollen Lightning langfristig fit für den kommerziellen Einsatz machen.
Ein besonders spannender Anwendungsfall ist die Nutzung von Lightning im Bereich KI. Die L402-Spezifikation ermöglicht es, APIs per Mikrozahlung pro Anfrage abzurechnen – ganz ohne klassische Konten oder statische Zugangsschlüssel. Erste Implementierungen in KI-Agenten-Frameworks wie LangChainBitcoin zeigen das Potenzial für echte Machine-to-Machine-Zahlungen. Auch hier steht nicht die Kapazität im Fokus, sondern die funktionale Skalierbarkeit des Protokolls.
Obwohl die öffentlich sichtbare Lightning-Kapazität rückläufig ist, zeigen alle weiteren Indikatoren eine gegenteilige Entwicklung: höhere Nutzung, tiefere Integration in Handelsplattformen, neue Anwendungsbereiche wie Stablecoins und KI – und vor allem: eine technologische Reifung des Protokolls.