Die Finanzwelt steht vor einem großen Umbruch. Galt die Blockchain jahrelang als Spielzeug für Tech-Enthusiasten, betrachten immer mehr Banken und Vermögensverwalter sie inzwischen als einen zentralen Baustein der Zukunft. Nach Einschätzung der Investmentbank TD Cowen wird sich ein erheblicher Teil des globalen Kapitals künftig auf die Blockchain verlagern.
Tokenisierung kann die Finanzwelt grundlegend verändern
Laut einer neuen Analyse der US-Investmentbank TD Cowen könnte das auf der Blockchain gebundene Kapital innerhalb von fünf Jahren auf über 100 Billionen US-Dollar anwachsen. Das wäre ein enormer Sprung gegenüber den derzeit rund 4,6 Billionen.
Die von TD Cowen genannten Summen sind eine breite Schätzung sämtlicher Kapitalformen, die auf oder über Blockchains funktionieren. Dazu zählen die gesamte Marktkapitalisierung von Krypto, alle tokenisierten Vermögenswerte, Stablecoins sowie die Liquidität auf Plattformen der dezentralen Finanzwelt (DeFi).
Die Analysten führen das erwartete Wachstum auf den rasanten Aufstieg der Tokenisierung zurück – die Digitalisierung traditioneller Finanzwerte wie Staatsanleihen, Aktien und Immobilien. Dabei werden Vermögenswerte – von Aktien und Anleihen über Immobilien bis hin zu Kunst – als digitale Tokens auf einer Blockchain abgebildet. Das verspricht erhebliche Vorteile, etwa niedrigere Transaktionskosten und eine sofortige Verfügbarkeit rund um die Uhr.
TD Cowen erstellte den Bericht nach Gesprächen mit Vertretern von unter anderem JPMorgan, Bank of America, Euroclear und Tradeweb am Rande des Digital Asset Summit in London. „Das institutionelle Interesse ist in den vergangenen zwei Jahren schneller gewachsen als erwartet“, schreiben die Analysten. „Langfristig kann Tokenisierung das Finanzsystem vollständig umgestalten.“
Nach Ansicht von TD Cowen steuert die Branche auf einen Wendepunkt zu. Sobald es gemeinsame Protokolle für Transaktionen gibt, kann die Tokenisierung vom kleinen Pilotprojekt zur weltweiten Anwendung im großen Maßstab übergehen. „Der Trend ist zu groß, um ihn zu ignorieren“, heißt es in dem Bericht.
Große Namen setzen auf Tokenisierung
Immer mehr Schwergewichte arbeiten inzwischen an Tokenisierungsprojekten. So entwickelt die populäre Handelsplattform Robinhood ein eigenes Blockchain-Netzwerk, inspiriert von Arbitrum (ARB). Ziel ist es, in den kommenden Monaten oder Anfang 2026 über die europäische Krypto-App tokenisierte Aktien anzubieten. Damit will das Unternehmen einen 24/7-Handel mit Aktien ermöglichen.
Sogar Nasdaq ist dabei. Die bekannte Tech-Börse hat vergangenen Monat bei der US-Börsenaufsicht (SEC) einen Antrag eingereicht, um Aktien auch in Tokenform handeln zu dürfen.
Auch hat BlackRock, der weltweit größte Vermögensverwalter, im März 2024 einen tokenisierten Anlagefonds aufgelegt: BUIDL. Der Fonds gilt als ein wichtiges Experiment in der Welt der Tokenisierung und läuft auf der Ethereum (ETH) Blockchain. Er investiert unter anderem in US-Staatsanleihen und sogenannte Repurchase Agreements (Repos), also eine Art kurzfristiger Kredite.
Laut dem Analyseportal rwa.xyz sind derzeit fast 34 Milliarden US-Dollar an Wert on-chain in tokenisierten Vermögenswerten gebunden. Ethereum ist dabei mit großem Abstand die beliebteste Plattform, mit einem Marktanteil von 57,55 Prozent.