In der Sendung „phoenix persönlich“ führt Theo Koll ein Gespräch mit Bruno Kahl, dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes. Sie diskutieren über die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse zu den russischen Expansionsbestrebungen, die sogenannten „Wegwerfagenten“ und seine neue Rolle im Vatikan.
Bruno Kahl betont: „Die russische Einflussnahme ist auch in Deutschland spürbar.“ Er erklärt weiter: „Wir haben Agenten auf deutschem Boden, sei es in Form von ‚Wegwerfagenten‘ oder anderen, die Einfluss auf unsere Medien und sozialen Netzwerke ausüben. Zudem wird unsere kritische Infrastruktur ausspioniert und für mögliche Konflikte vorbereitet – sogar unter Inkaufnahme von Menschenleben.“ Laut Kahl sind diese Entwicklungen alarmierend nah an den Bedingungen des Kalten Krieges als gedacht.
Kahl erläutert: „Putin und sein Umfeld glauben, dass die europäische Nachkriegsordnung überarbeitet werden muss.“ Die Integration ehemaliger Warschauer-Pakt-Staaten in den Westen sowie deren NATO-Mitgliedschaft stellt für ihn eine Bedrohung dar. Daher strebt er an, diesen Prozess rückgängig zu machen. Er möchte den Schutz der NATO für Mittel- und Osteuropa schwächen und versuchen, amerikanische Truppen aus Europa zu vertreiben. Außerdem will er sicherstellen, dass der Beistandsmechanismus der NATO nicht mehr funktioniert.“ Dies geschieht laut Kahl vor allem in Ländern wie Weißrussland (Minsk), der Ukraine (Kiew) und Georgien; diese Länder sollen als Pufferzone um Russland dienen – ohne Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit.
Bezüglich nachrichtendienstlicher Beweise dafür, dass die Ukraine nur ein Schritt Richtung Westen ist, sagt Kahl: „Ich kann natürlich nicht auf spezifische Quellen eingehen; jedoch sind wir uns bei unseren Informationen ziemlich sicher.“
Kahl fügt hinzu: „Das bedeutet nicht zwangsläufig das Auftreten von militärischen Auseinandersetzungen.“ Er erklärt weiter: „Wir haben keine Panzerbewegungen gen Westen vorhergesagt oder Luftangriffe erwartet; vielmehr haben wir festgestellt: Der Wille zur Prüfung des Artikel 5 des NATO-Vertrages ist vorhanden. Dieser Wille wird sich nach einer Beendigung eines militärischen Konfliktes in der Ukraine seinen Weg suchen.”
Bruno Kahl leitet seit 2016 den Bundesnachrichtendienst und wurde zum deutschen Botschafter beim Heiligen Stuhl ernannt. Seine Erfahrungen beim BND seien sicherlich hilfreich für seine neue Aufgabe im Vatikan. „Ich würde nicht sagen, das sei ein Geheimdienst“, bemerkt er jedoch auch. „Die katholische Kirche verfügt über ein weitreichendes Netzwerk haupt- sowie nebenamtlicher Mitarbeiter weltweit – somit gibt es einen großen Pool an Informationen.“ Besonders bezüglich Situationen wie etwa in China kennt sich die katholische Kirche wahrscheinlich besser aus als mancher Nachrichtendienst; daher habe er stets Kontakt zum vatikanischen Außenamt gesucht.
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