Heute wird das Bundeskabinett zwei Gesetzesentwürfe diskutieren, die darauf abzielen, die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in deutsches Recht zu integrieren. Handicap International bewertet diese geplanten Änderungen als einen „Katalog der Grausamkeiten“ für geflüchtete und migrierte Menschen mit Behinderungen in Deutschland.
Trotz zahlreicher Appelle aus der Zivilgesellschaft zur Stärkung des Schutzes besonders verletzlicher Gruppen dominieren bei diesen Vorhaben Abschottung, Ausgrenzung und Entzug von Leistungen. Handicap International fordert die Bundesregierung auf, eine grundlegende Überarbeitung der Gesetzesentwürfe vorzunehmen und sicherzustellen, dass die überarbeitete Fassung den Anforderungen von Verfassung sowie EU- und Völkerrecht gerecht wird.
Bedenken hinsichtlich Rechtsansprüche und Schutzgarantien für Menschen mit Behinderungen
Besonders besorgniserregend ist die unzureichende Berücksichtigung der Schutzgarantien für Menschen mit Behinderungen gemäß der neuen EU-Aufnahmerichtlinie. Wichtige Garantien wie das Erkennen besonderer Bedürfnisse – etwa im Hinblick auf barrierefreie Unterkünfte oder Gesundheitsversorgung – werden nicht ausreichend umgesetzt. Essenzielle Versorgungsansprüche wie das Recht auf Entlassung aus einer ungeeigneten Unterkunft bleiben völlig unbeachtet.
„Ein einheitliches Verfahren zur Bedarfsfeststellung ist unerlässlich für eine angemessene Versorgung sowie Gleichbehandlung aller Geflüchteten, unabhängig davon, ob sie am Flughafen Frankfurt oder in einer Einrichtung in Thüringen ankommen“, betont Sophia Eckert von Handicap International. „Nur wenn spezifische Bedürfnisse erfasst werden und entsprechende Hilfen bereitgestellt sind, kann ein faires Asylverfahren gewährleistet werden.“ Es sei offensichtlich geworden: Die Rechte geflüchteter Menschen mit Behinderungen scheinen den Verantwortlichen wenig zu interessieren.
Die Gesetzesentwürfe müssen umfassend überarbeitet werden
Während es an notwendigen Schutzmaßnahmen mangelt, nutzt das Bundesinnenministerium alle Möglichkeiten zur Verschärfung voll aus – teilweise sogar darüber hinaus. Besonders kritisch sieht Handicap International die geplanten neuen Zentren für sogenannte „Verfahren der Sekundärmigration“, wo Geflüchtete ohne zeitliche Begrenzung wohnen müssen und möglicherweise auch nicht das Gelände verlassen dürfen. Zudem sollen Migrationshaftbedingungen verschärft sowie Möglichkeiten zur Kürzung von Sozialleistungen erheblich ausgeweitet werden – was gravierende Folgen für geflüchtete Menschen mit Behinderungen haben könnte.
„Für diese Gruppe bedeutet dieser Katalog an Maßnahmen: kein sicherer Rückzugsort mehr, kaum Selbstbestimmung oder Privatsphäre; stattdessen Enge und Isolation,“ erklärt Eckert weiter. Das ständige Miterleben von Abschiebungen sowie unzureichender medizinischer Versorgung verstärke diese Situation zusätzlich. Die vorgesehenen Einschränkungen bei Bewegungsfreiheit würden faktisch einem Freiheitsentzug gleichkommen und den Zugang zu medizinischen Dienstleistungen erheblich erschweren: „Zukünftig benötigt man eine Genehmigung für jeden Arzttermin – vom Verbandswechsel bis zum Besuch beim Psychologen,“ warnt sie abschließend.
Dieses System würde zudem unnötigen bürokratischen Aufwand sowohl für Betroffene als auch Behörden schaffen.
Handicap International (HI) ist eine gemeinnützige Organisation im Bereich Nothilfe sowie Entwicklungszusammenarbeit; sie setzt sich weltweit dafür ein, dass Menschen mit Behinderung unterstützt werden – insbesondere schutzbedürftige Personen finden hier Hilfe.
Das Crossroads-Programm zielt darauf ab, die Lebenssituation nach Deutschland geflohener Migranten mit Beeinträchtigungen zu verbessern.
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Handicap International e.V.
Sophia Eckert
Politische Referentin im Programm Crossroads
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