In den vergangenen Jahren hat sich die Konsolidierung auf dem europäischen Versicherungsmarkt stetig verstärkt. Neben einzelnen Fusionen, die aus strategischen Überlegungen und in einer starken Marktposition heraus erfolgten, haben vor allem strukturelle Veränderungen das Wettbewerbsumfeld geprägt und die Marktstellung der Unternehmen beeinflusst. Seit 2019 wuchs die Branche in wichtigen Segmenten nur moderat, was kaum ausreichte, um steigende Kosten zu kompensieren. Zusätzlich wirkten tiefgreifende gesellschaftliche Entwicklungen wie eine alternde Bevölkerung und der damit verbundene Fachkräftemangel belastend. Hohe Investitionen in digitale Technologien sowie zunehmende regulatorische Anforderungen stellten insbesondere kleinere und mittlere Versicherer vor erhebliche Herausforderungen. Dennoch verfügen gerade diese Anbieter weiterhin über wirksame Strategien, um ihre Unabhängigkeit zu bewahren und profitables Wachstum zu erzielen.
Diese Erkenntnisse stammen aus der aktuellen European Insurance Study von zeb, einer Beratungsfirma für Strategie, IT und Management. Nach einer ersten Veröffentlichung im September haben die Studienautoren nun detailliert untersucht, wie sich die Konsolidierung zwischen 2019 und 2024 auf den europäischen Versicherungsmarkt ausgewirkt hat – basierend auf Daten von über 2.000 Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von etwa 1,35 Billionen Euro.
Abnahme der Anbieterzahl bei unterschiedlicher Marktentwicklung
Die Analyse zeigt deutlich unterschiedliche Konsolidierungsraten innerhalb Europas: Die Anzahl der Versicherer sank im genannten Zeitraum um rund 160 Firmen – ein Rückgang von mehr als sieben Prozent insgesamt. Besonders ausgeprägt war dieser Trend im Lebensversicherungssegment mit einem Rückgang von über zehn Prozent bei gleichzeitigem jährlichen Marktwachstum von lediglich 2,5 Prozent. Im Bereich Schaden- und Unfallversicherung (Non-Life) betrug das Wachstum jährlich etwa 5,6 Prozent; hier verringerte sich die Zahl der Anbieter um knapp fünf Prozent. Länder wie Dänemark, Norwegen oder Tschechien verzeichneten sogar zweistellige prozentuale Rückgänge bei den Anbieternummern; Deutschland und Frankreich hingegen zeigten nur moderate Veränderungen während dieses Zeitraums.
Vier wesentliche Faktoren erhöhen den Druck auf Versicherer
Die Gründe für diese Konsolidierungswelle sind vielfältig: In Märkten mit geringem Wachstum fiel besonders stark auf Seiten der Anbieterzahlen zurückzugehen; zudem beschleunigte sich durch den demografischen Wandel – insbesondere in Ländern mit schnell alternder Bevölkerung wie Polen oder Slowenien – dieser Prozess weiter erheblich. Der Altersabhängigkeitsquotient stieg an; gleichzeitig sank das Interesse an klassischen Versicherungslösungen während Fachkräftemangel zur zusätzlichen Belastung wurde.
Zudem stiegen IT-Ausgaben deutlich an: So erhöhten deutsche Versicherer ihre Investitionen zwischen 2017 bis 2022 um mehr als dreißig Prozent auf fast sechs Milliarden Euro jährlich. Digitalisierungsvorhaben inklusive Modernisierung zentraler Systeme sowie neue Technologien wie Künstliche Intelligenz trieben Kosten nach oben ebenso wie strategische Herausforderungen rund um Cybersicherheit oder verschärfte regulatorische Vorgaben.
Dieter Kipp, Partner bei zeb sowie Mitautor des Berichts erklärt: „Seit dem Jahr 2019 ist die Anzahl relevanter EU-Vorschriften für Versicherungen sprunghaft gestiegen – aktuell gibt es etwa siebzig Regelwerke statt zwölf damals.“ Er ergänzt weiter: „Besonders Nachhaltigkeitsanforderungen sowie Vorgaben zur digitalen Resilienz oder zum Datenschutz binden künftig erhebliche Ressourcen sowohl im Compliance-Bereich als auch in IT-Abteilungen.“
Möglichkeiten für kleinere bis mittelgroße Unternehmen
Kleinere bis mittlere Versicherungsgesellschaften stehen daher vor komplexen strategischen Entscheidungen angesichts dieses Umfelds:
- Mergers & Acquisitions bieten Chancen zur Steigerung des Marktanteils durch Synergien können jedoch hohe Transaktionskosten verursachen sowie Integrationsprozesse erschweren;
- Spezialisierung ermöglicht es kleineren Anbietern oft noch immer überdurchschnittliches Wachstum verbunden mit hoher Profitabilität zu erreichen;
- Partnerschaften erlauben Auslagerung bestimmter Wertschöpfungsbereiche zugunsten eines stärkeren Fokus‘ auf Kernkompetenzen — Kooperationen gewinnen beispielsweise beim Vertrieb oder Schadenmanagement zunehmend an Bedeutung.
Dr. Jan Hendrik Sohl, ebenfalls Partner bei zeb und Co-Autor betont abschließend: „Auch kleinere Akteure können erfolgreich gegen konsolidierende Kräfte bestehen — sei es durch gezielte Spezialisierung oder partnerschaftliche Zusammenarbeit entlang ihrer Wertschöpfungskette.“ Entscheidend bleibe dabei stets eine klare Positionierung kombiniert mit Flexibilität gegenüber künftigen Veränderungen.“
Nähere Informationen finden Sie unter European Insurance Study 2025 | zeb.
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