Im Bundesministerium für Umwelt wurde, wie gestern von ANCA berichtet, die ursprünglich streng wissenschaftliche und mit den Experten der Länder abgestimmte Bewertung des Gefährdungsstatus der Wolfspopulation in Deutschland durch politische Eingriffe maßgeblich verändert. Dies hat direkte Auswirkungen auf die offiziell gemeldete Einstufung des Wolfs als „günstig erhaltener Zustand“ in der kontinentalen Region.
Schon im ersten Bericht von ANCA wurde ein interner Entwurf des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) öffentlich, welcher den Wolf deutschlandweit als gefährdet einstufte – entgegen der später politisch festgelegten Linie. Ein weiteres bislang unveröffentlichtes Bewertungsdokument zeigt nun auf, wie zentrale Zahlen und Karten nachträglich so angepasst wurden, dass es dem Bundeslandwirtschaftsminister ermöglicht wird, Wölfe nahezu flächendeckend zu bejagen.
Zentrale Erkenntnisse aus dem neuen Bericht
- Die Habitatmodellierung wurde ignoriert und die Referenzfläche drastisch reduziert: Fachleute hatten mittels einer komplexen Habitatmodellierung ein günstiges Verbreitungsgebiet (FRR) zwischen 166.600 und 273.100 km² berechnet und bevorzugten ausdrücklich den höheren Wert zur Sicherstellung der langfristigen Überlebensfähigkeit. Ein Schreiben des Staatssekretärs Jochen Flasbarth im Umweltministerium ordnete jedoch an, diese modellierten Werte nicht als Referenz heranzuziehen. Stattdessen setzte er einen Ansatz durch, welcher nur auf aktuell besiedelten Flächen basiert.
- Das günstige Verbreitungsgebiet wurde auf etwa ein Drittel verkleinert: Als neue Referenz gilt nun die tatsächlich im Monitoringjahr 2023/24 besiedelte Fläche von 80.578 km² – weniger als ein Drittel des ursprünglich berechneten Bereichs. In den dazugehörigen Karten werden große Teile Süd- und Südwestdeutschlands wie Baden-Württemberg sowie weite Bereiche Bayerns, Hessens und Rheinland-Pfalz nachträglich als „nicht bevorzugtes“ oder „ungeeignetes“ Habitat deklariert – obwohl das ursprüngliche Modell dort geeignete Lebensräume auswies.
- Wölfe siedeln angeblich in „ungeeigneten“ Gebieten – Realität widerspricht politischer Karte: Besonders brisant ist dabei, dass sich gerade in Regionen außerhalb des neu definierten günstigen Verbreitungsgebiets aktuell Wolfsrudel etablieren (z.B. Nordrhein-Westfalen oder Bayern). Dennoch werden diese Räume fachlich kaum nachvollziehbar abgewertet; politisch dient dies jedoch dazu, Abschussmöglichkeiten zu erweitern.
- Referenzpopulation wird unter Mindestgröße gedrückt: Im wissenschaftlichen Entwurf von BfN und Länderexperten lag die günstige Referenzpopulation bei 282 Rudeln bzw. Paaren inklusive eines Sicherheitszuschlags gemäß EU-Anforderungen. Eine ministerielle Sonderarbeitsgruppe reduzierte diesen Wert zunächst auf 232 Rudel/Paarungen; später sogar weiter auf nur noch 187 Rudel/Paare – unterhalb der Mindestgröße einer überlebensfähigen Population (MVP). Diese Absenkung wird nicht transparent begründet und widerspricht dem Vorsorgeprinzip.
- Trotz stagnierender Bestände spricht das offizielle Papier weiterhin von Zunahmen: Aktuelle Daten aus Monitoringstellen zeigen erstmals eine Stagnation oder gar Rückgänge bei Wolfsrudeln sowie Hinweise auf illegale Tötungen in mehreren Regionen für das Jahr 2024/25; dennoch behauptet das Dokument eine Zunahme beziehungsweise Verbesserung der Bestände – valide Daten werden somit ausgeblendet zugunsten eines politischen Narrativs.
Politische Verantwortung reicht über Staatssekretär hinaus
Die vorliegenden Dokumente zeichnen ein kritisches Bild vom Umgang im Bundesumweltministerium: Ein streng wissenschaftlicher Prozess zur Festlegung relevanter Referenzwerte wird durch Weisungen aus dem Staatssekretariat überschrieben mit direkten Konsequenzen für den EU-Bericht gemäß Artikel 17 FFH-Richtlinie.
Zwar spielte Staatssekretär Jochen Flasbarth hierbei eine Schlüsselrolle; doch endet politische Verantwortung nicht bei ihm allein. Bundesumweltminister Carsten Schneider trägt letztendlich Verantwortung für den eingereichten Artikel-17-Bericht sowie die Haltung seines Hauses – einschließlich warum wissenschaftliche Grundlagen innerhalb seines Ressorts ignoriert wurden.
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Quellen [1]–[3] via Wildtierschutz Deutschland
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